Dienstag, 13. Mai 2008

Wessen Geistes Kind?

Mir gehen seit kurzer Zeit einige Gedanken und Überlegungen zum Sein des Menschen durch den Kopf. Sie sind mehr oder weniger gut durchdacht. Ich will es wagen, hier einen Entwurf meiner Überlegungen zu veröffentlichen.

Ausgangspunkt meiner Gedanken ist die Antropologie des Menschen und die Frage nach der Begabung. In der Auseinandersetzung mit den Gaben des Geistes, so wie sie uns im Neuen Testament begegnen, fällt auf, dass der christliche Glaube diese Gaben nicht darauf beschränken kann, dass sie einzig vom Heiligen Geist gespendet werden und somit dem Menschen als etwas außerhalb von ihm durch Gott zugefügtes gesehen werden können. Wenn wir uns die Gabenliste genauer anschauen, dann fällt auf, dass neben den natürlichen Gaben, wie Dienen, Barmherzigkeit u.a., die wir sowieso nicht vom Geist Gottes gespendet ansehen würden, auch die übernatürlichen Gaben, wie Zungenrede, Prophetie, Gaben der Heilungen u.a., gibt. Besonders die zweite Sorte von Gaben werden in unserer Kultur, die sich durch den Rationalismus und der Aufklärung gänzlich dem übernatürlichen nicht fassbaren entzogen hat, als nicht mehr existent oder als etwas überspitzt Besonderes dargestellt. Wir müssen auch in unseren Gemeinden und in der Theologiegeschichte feststellen, dass sie, auf Grund ihrer fehlenden Faßbarkeit sehr schnell verteufelt werden. Es werden in jedem Fall viele Argumente angebracht, dass diese übernatürlichen Gaben nicht vom Menschen, sondern von einem Geist – gut oder böse – außerhalb des Menschen kommen müssen. Wenn wir unsere rationelle Auffassung der Welt und die Vergeistigung der übernatürlichen Gaben zusammen nehmen, ist es keine Wunder, dass diese Gaben ganz aus unseren Gemeinden verschwunden waren und erst wieder durch die Pfingstbewegung und die charismatischen Bewegungen ernst genommen wurden.
Schauen wir uns die Gabenaufzählung in der Bibel aber genauer an, dann fällt auf, dass die so genannten natürlichen und übernatürlichen Gaben in einem Atemzug genannt werden. Warum werden sie vermischt, wenn sie doch scheinbar nicht gleichwertig zu betrachten sind. Könnte es sein, dass es im eigentlichen Sinne nur ein Ausdruck unserer Wahrnehmung ist, die uns zwischen natürlichen und übernatürlichen Gaben unterscheiden lässt? Vielleicht können und sollen sie gar nicht unterschieden werden, da sie doch alle den gleichen Wert besitzen.
Aus der Beobachtung, dass die für uns als übernatürlich betitelte Gaben auch in anderen Religionen und sogar außerhalb eines religiösen Kontextes auftreten, würde ich zu einer neuen Perspektive einladen, die aufzeigen soll, wie wir die Gaben neu ein zu ordenen haben. Und was die sich daraus ergebenden Konsequenzen im Bezug auf den geistlichen Ursprung sind, um eine Unterscheidung der Gaben vorzunehmen und wie wir die Gaben des Geistes von den Begabungen in anderen Religionen und außerhalb von Religion einordnen können. Mit dieser Einladung begebe ich mich sicherlich auf ein spekulatives Gebiet. Ich will es trotzdem wagen.
Meine Feststellung, dass die übernatürlichen Gaben auch in anderen Kontexten vorkommen, möchte ich an zwei Beispielen kurz umreißen. Dabei ist es erste einmal unwichtig, ob dieser religiös oder nicht religiös ist. Zum einen gibt es auch in anderen Religionen das Phänomen des Redens in unverständlichen Sprachen, so wir es als Zungenrede kennen. Zum anderen erstaunt es doch, dass Schamanen die selben Gaben besitzen, wie ein geistbegabter Christ. Wie kommt es, dass es Menschen gibt, die nicht an Gott glauben und nicht den Heiligen Geist haben, Menschen heilen können durch Handauflegung? Meines Erachtens würde ich aus diesen Beobachtungen, die ich hier im einzelnen nicht ausführen will, folgern, dass diese Gaben zum menschlichen Sein dazu gehören. Es ist Unsinn zwischen natürlichen und übernatürlichen Gaben zu unterscheiden, da sie jedem Menschen natürlich mitgegeben sind. es gehört zum menschlichen Sein, mit einem Fuß in der nicht sichtbaren Welt zu stehen. Dies drückt sich auch darin aus, dass wir in diesem Bereich Wirkungen vollbringen können.
Wenn dies wirklich so ist, dann stellt sich jedoch die Fragen, wie diese Begabungen, die aus so unterschiedlichen Quellen kommen zu unterscheiden sind. Meiner Meinung nach wäre der Unterscheidungspunkt die Frag nach der Motivation, aus der heraus, die entsprechende Gabe eingesetzt wird. Wird sie zur Selbstverherrlichung des einzelnen oder des dämonischen, oder zur Verherrlichung Gottes genutzt. Bei dieser Unterscheidung ist die Begabung an sich erst einmal vollkommen neutral. Der Unterscheidungspunkt ist dieser, ob der Einsatz der Begabung dazu dient in die schöpfungsgemäße Beziehung zu Gott hinein zu führen. Wenn die Anwendung der Gabe dies nicht zur Folge hat, oder mit der Bibel gesprochen, nicht als Frucht hervor bringt, dann ist sie einzig eine menschliche Begabung wie Kreativität und Barmherzigkeit und Gastfreundschaft, die für sich genommen ebenso einfachen humanistischen Zwecken dienen könnte, aber keine Veränderung im Leben wirkt.

Soweit meine Gedanken. Ich lade hiermit zur Diskussion ein.