Donnerstag, 29. November 2007

Meine Eindrücke vom Studientag in Marburg

Schon länger hab ich mich auf den Studientag in Marburg von Emergent Deutschland gefreut. Gestern fuhren mein Mentor und ich nun dort hin. Noch im Dunkeln fuhren wir los, um dann auf der Fahrt geblendet von der Sonne erster Strahlen über das Sauerland zu fliegen. :-) Ne, mal im Ernst. Der Sonnenaufgang war echt herrlich. Leider wurde es dann immer nebliger und dunkler. Als wir dann endlich in Marburg ankamen, durfte ich mich erst einmal anmelden.
Gespannt setze ich mich in den ersten Vortrag von Brian McLaren. Er begann den Paradigmenwechsel zu beschreiben, der gerade in der Geschichte unserer Welt statt findet. Ich habe mir einige Fragen aufgeschrieben. Unter anderem sprach er über 1. Petr. 3,15-16. Sind wir immer bereit, Brücken da zu bauen, wo sie nötig sind? Begegnen wir offenen Fragen mit Achtung und Respekt? Müssen christliche Vorstellungen von der modernen Vorstellung getrennt werden? Brian sprach davon, dass wir nicht in der Gefahr stehen, von der biblischen Lehre abzuweichen, weil wir schon längst abgerutscht sind, weil wir als Christen in die Ehe mit Lehren getreten sind, die nicht mehr biblisch sind.
Darauf folgte Jason Clark, der die Ausführungen von Brian auf den gemeindlichen Kontext ausbreitete. Eine Gedanke, der mir u.a. hängen geblieben ist, ist wie oft wir uns als Gemeinde darüber definieren, was wir nicht sind. Gemeinde muss in einem Prozess stecken, in dem aus der Praxis Fragen entstehen, die für die Praxis gelöst werden, woraus wiederum Fragen entstehen, die wiederum für die Praxis gelöst werden. Dieser theologische Prozess erinnert mich an die östliche Theologie, in der ebenso Theologie betrieben wird. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir in der Kontextualisierung des Evangeliums immer in der Gefahr stehen, auf der einen Seite in die absoluten Abgrenzung abrutschen und auf der anderen Seite zu sehr mit der Welt kuscheln. Unter anderem fiel das Zitat von C.S. Lewis:
"Jeder, der mit dem Zeitgeist verheiratet ist, wird im nächsten Zeitalter verwitwet sein."Dies gab mir zu denken. Entgegen einer Einseitigkeit gegen die christliche Tradition und Geschichte sprach Jason davon, dass in der Emerging Church die einen für den Bestand und das Weiterkommen der alten Kirchen und die anderen für das gründen neuer Gemeinden gerufen sind. Beide können nebeneinander existieren und sich gegenseitig weiterbringen. Auf das Phänomen, warum so viele Menschen die Gemeinden verlassen, sprach Jason davon, dass als etwas empfunden wird, was außerhalb von einem ist. Es hat nichts mit einem zu tun. Kirche und Spiritualität haben nicht direkt etwas miteinander zu tun.
Nach einer Gruppenrunde, die ich mit einem Lehrer für Seelsorge und meinem Mentor hatte, sprachen wir über das gehörte.
Anschließen gabs Mittag und Gespräche. Unter anderem drehte sich unser Gespräch um die Ganzheitlichkeit unseres Glaubens und die Frage, wie weit Gottes Geist in jedem von uns steckt, auch schon bevor wir neu geboren sind. Haben wir Christen wirklich Antworten auf die weltbewegenden Fragen wie den Umweltschutz und die Armut und den Hunger.
Im danach folgenden Vortrag sprach Brian über die Emerging Church, oder besser über die Emerging Conversation. Er beschriebt diese Bewegung weniger als eine Kirche. Aus seiner Sicht ist es eine Bewegung durch die Kirchen und Konfessionen und über die Kontinente hinweg. Sie ist wie die Rinde eines Stamms, der den Kontakt zur Außenwelt hat. Er sprach davon, was wir für Probleme in der Kirche haben und was für Probleme in der Welt akut sind. Wir stellten uns gemeinsam die Frage, warum beide Problembereiche so oft weit auseinander reichen. Ich habe mir als abschließendes Statement aufgeschrieben: Wir sind aufgerufen eine Alternative gegen den Konsum zu setzen!!! Ich glaube, dass niemand sagen kann, dass wir als Gemeinde Gottes dies nicht könnten.
Im Abschluss gab es dann noch eine abschließende Gesprächsrunde. Beeindruckt hat mich die Darstellung deutscher Kirchengeschichte der letzten ca. 75 Jahre im Zusammenhang mit dem Bibelspruch: Dem Griechen ein Grieche und dem Juden eine Juden. Das hieß 1933 dann möglicherweise dem Nazi ein Nazi?! Wie können Christen in Deutschland mit Kontextualisierung des Evangeliums umgehen nach dem dritten Reich und nach dem darauf folgenden Schmusekurs der einen Hälfte der Kirche mit der Gesellschaft. Wobei sich die andere Hälfte von der Welt abtrennte.
Da wir uns vorzeitig auf den Weg machten, habe ich den Rest des Gesprächs nicht mehr mitbekommen. Angeregt unterhielten wir uns über den einen und anderen Gedanken. Wir sprachen über Vereinsmeierei und den Umgang von Macht in der Gemeinde. Wir diskutierten, wie Gemeinde aussieht, und wie Mitarbeit innerhalb der Gemeinde aussieht und ob Gemeindearbeit auch außerhalb der Gemeinde Gemeindearbeit ist.
Vieles, was ich hörte und was Gesprochen worden ist, habe ich nicht erwähnt. Insgesamt würde ich sagen, war das Gehörte nichts neues. Doch sicherlich war es gut, die ganze Situation nochmals von einer anderen Seite zu betrachten.
Zum durchdenken hat mir dieser Studientag geholfen. Nun geht es dran, das durchdachte im Leben Wirklichkeit und Gestalt gewinnen zu lassen. Ich bin gespannt auf die nächste Conversation! Etwas traurig bin ich darüber, nicht in Erlangen dabei sein zu können. Aber ich freue mich auf die Berichte.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für deine Sammlung von Statements, Eindrücken und Fragen. Hatte in Marburg vieles ähnlich gehört und erlebt.

Ja, dieses Dilemma der dt. Evangelikalen, was Thorsten Dietz in seiner Frage mit "dem Nazi ein Nazi" aufzeigte, war für mich sehr aufschlussreich und ich denke eine der größten Hemmschuhe für viele, sich mit dem Zeitgeist zu beschäftigen. Aber Ghetto tut auch nicht gut...